Familienrecht: Keine Übertragung der Mitsorge zur Verhinderung erzieherischer Alleingänge
Autorin: Christina Begenat, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht
Zweck der gemeinsamen elterlichen Sorge ist nicht die gegenseitige Kontrolle oder Sanktion von Fehlverhalten eines Elternteils. Eine Übertragung der Mitsorge um erzieherische Alleingänge zu verhindern kommt nicht in Betracht, wie das Oberlandesgericht Braunschweig mit Beschluss vom 21.07.2022 (1 UF 115/21) feststellte.
In der Sache beantragte im Jahr 2020 der Vater eines dreijährigen Kindes die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge beim Amtsgericht Wolfenbüttel. Die Kindeseltern waren nicht miteinander verheiratet und bisher hatte die Kindesmutter das alleinige Sorgerecht inne.
Kommunikationsprobleme stehen gemeinsamer Sorge entgegen
Der Antrag wurde vom Amtsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass es zwischen den Eltern erhebliche Kommunikationsprobleme gebe. Die Beziehung der Eltern sei durch wechselseitige Vorwürfe und starken Missbrauch geprägt – dies stehe der gemeinsamen Sorge entgegen. Der Kindesvater legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und führte unter anderem an, dass die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zur Verhinderung weiterer erzieherischer Alleingänge der Kindesmutter geboten sei.
Sachlicher Austausch nicht möglich
Das Oberlandesgericht Braunschweig bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und bekräftigte abermals, dass der Übertragung der gemeinsamen Sorge die schwerwiegenden und nachhaltigen Kommunikationsprobleme der Kindeseltern entgegenstehen. Ein sachlicher Austausch zwischen den Eltern über sorgerechtliche Belange sei nicht möglich.
Gemeinsame Sorge dient nicht der Kontrolle oder Sanktion
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sei die Übertragung der Mitsorge auch nicht zur Verhinderung erzieherischer Alleingänge der Kindesmutter angezeigt. Weder die Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge noch deren Aufhebung stelle ein Instrument zur gegenseitigen Kontrolle der Eltern oder zur Sanktion eines etwaigen vorangegangenen Fehlverhaltens eines Elternteils dar. Alleiniger Maßstab sei das Kindeswohl, dem ein fortgesetzter, destruktiver Elternstreit ebenso entgegenstehe, wie eine durch mangelnde Elternkooperation verursachte Verzögerung wesentlicher sorgerechtlicher Entscheidungen.