Familienrecht: Ex-Lebenspartnerin hat Umgangsrecht auch gegen den Willen der Kindesmutter.
Autorin: Katja Müller, Rechtsanwältin für Familienrecht
In einer familienrechtlichen Streitigkeit vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, hat das Gericht mit Beschluss vom 05.10.2020 zur Frage entschieden, ob einer Lebenspartnerin nach Ende der Beziehung ein Umgangsrecht mit dem Kind der anderen Lebenspartnerin zusteht.
Im vorliegenden Sachverhalt hatten die Beteiligten im Jahr 2005 eine Lebenspartnerschaft begründet. Den gemeinsamen Kinderwunsch haben sie sich im Wege der Fremdinsemination erfüllt und die Kindesmutter gebar zwei Söhne, die nach der Trennung der beiden Lebenspartnerinnen bei ihr verblieben. Während zunächst Umgangskontakte zwischen der anderen Lebenspartnerin und den Kindern stattfanden, wurden diese nach verschiedenen Konflikten durch die Kindesmutter unterbunden.
Umgangsrecht als „sozialer Elternteil“
Die Antragstellerin begehrte weiteren, regelmäßigen Kontakt mit beiden Kindern und leitete ein entsprechendes Umgangsverfahren ein. Im folgenden Verfahren entschied letztinstanzlich das OLG Braunschweig, dass der Antragstellerin ein solches Umgangsrecht auch zusteht. Dies ergibt sich aus § 1685 Abs. 2 BGB.
Hiernach hat eine Person das Recht zum Umgang mit einem Kind, wenn es sich bei der umgangsbegehrenden Person um eine enge Bezugsperson handelt, die tatsächlich Verantwortung für das Kind im Sinne einer sozial-familiären Beziehung trägt oder getragen hat; des Weiteren muss der Umgang mit dieser engen Bezugsperson dem Wohl des Kindes dienen. Vorliegend wurde das Umgangsrecht also nicht auf eine rechtliche Eltern-Kind- Beziehung gestützt, sondern auf die Rolle der Antragstellerin als „sozialer Elternteil“.
Für den Umgangskontakt sprach vorliegend auch, dass dieser den Kindern ermöglicht, eine Beziehung zu einer außerhalb ihrer sozialen Familie stehenden Person zu entwickeln und dadurch Klarheit über ihre Familienverhältnisse und ihre eigene Herkunft im Sinne einer Identitätsfindung zu verschaffen. Die Kinder sind infolge einer von der Antragsgegnerin und der Antragstellerin gemeinsam getragenen Entscheidung durch eine von diesen gemeinsam durchgeführte Fremdinsemination entstanden. Unabhängig von der nicht vorhandenen leiblichen Elternschaft der Antragstellerin hat diese mithin einen wesentlichen Anteil an der Entstehung und damit Herkunft der Kinder im weiteren Sinne.
Ein Unterschied zum Elternumgangsrecht nach § 1684 BGB besteht beim Umgangsrecht enger Bezugspersonen nach § 1685 BGB darin, dass die Obliegenheit zur Solidarität mit den sorgeberechtigten Eltern bei umgangsberechtigten Dritten stärker ausgeprägt ist als bei getrenntlebenden Eltern, da ein gegen den Willen der Erziehungsberechtigten durchgeführtes Umgangsrecht in hohem Maße in deren Erziehungsrecht eingreift. Dritte Personen haben alles zu vermeiden, was bei dem Kind einen Loyalitätskonflikt hervorrufen kann. Bestehen zwischen dem betreuenden Elternteil und dem von § 1685 BGB erfassten Personenkreis von Streit geprägte Spannungen, ist davon auszugehen, dass ein Umgang zu seelischen Belastungen und/oder Loyalitätskonflikten des Kindes führen würde.
Das Gericht stellte jedoch nochmal klar, dass der entgegenstehende Wille der Antragsgegnerin allein nicht ausreicht, der Antragstellerin Umgang mit den Kindern zu verwehren. Vielmehr muss sich die elterliche Entscheidung am Kindeswohl orientieren und darf bei gewachsenen Bindungen des Kindes zur umgangsbegehrenden Person nur aus nachvollziehbaren Gründen erfolgen. Solche Gesichtspunkte gab es vorliegend nicht. Die ablehnende Haltung der Antragsgegnerin war als bloße Obstruktion anzusehen.