Familienrecht: Maßstab ist stets das Wohl der Kinder
Autorin: Katja Müller, Rechtsanwältin für Familienrecht
Die Trennung von Eltern ist nicht selten und erfolgt manchmal bereits vor der Geburt des gemeinsamen Kindes. Mit einer Trennung geht die Frage einher, welche Rechte die jeweiligen Elternteile haben, um den Kontakt mit dem eigenen Kind sicherzustellen.
Das Gesetz sieht ein Recht auf regelmäßigen und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte zu seinen Eltern vor. Art.6 Abs. 1 GG schützt den Bestand der Elternschaft und die Eltern-Kind-Beziehung. Es sichert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder.
Im Idealfall wird die Umgangsregelung von den Kindeseltern einvernehmlich getroffen. Leider tritt in der Realität jedoch öfter nicht der Idealfall ein, sondern genau das Gegenteil: Die Kindeseltern können keine Regelung vereinbaren, die sowohl für sie selbst als auch für das Kind geeignet ist und landen schlussendlich vor dem Familiengericht. Das Gericht hat dann über die konkrete Ausgestaltung des Umgangsrechts zu entscheiden. Primärer Maßstab ist dabei stets das Wohl der Kinder. Das Gericht hat darauf zu achten, dass das bereits hergestellte Näheverhältnis zwischen dem jeweiligen Elternteil und dem Kind aufrecht erhalten bleibt und eine Entfremdung verhindert wird.
Umgangsrecht von Fall zu Fall anders
Wie das Umgangsrecht mit seinen einzelnen Facetten im konkreten Fall zu gestalten ist, wird vom Gesetz nicht vorgeschrieben; vielmehr muss das Gericht diese Entscheidung auf Basis der Umstände des Einzelfalles treffen.
Beispielhaft kann hier ein Fall aus dem Jahr 2021 angeführt werden. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eltern waren nie verheiratet und trennten sich vor der Geburt der gemeinsamen Tochter. Die Tochter lebte von Anfang an bei der Mutter, die auch allein sorgeberechtigt war. Beide Eltern waren aufgrund des eigenen Lebens – mit schwerer Kindheit und Jugend – psychisch belastet. Die Eltern waren aber bereit, die eigenen Probleme abzuarbeiten und entsprechende psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um für ihre Tochter ein familiäres Umfeld schaffen zu können. Die Kindeseltern konnten ursprünglich eine Umgangsregelung vereinbaren, nach derer der Vater an einem Nachmittag pro Woche für fünf Stunden und alle 14 Tage zusätzlich einen Wochenendtag mit zehn Stunden Kontakt zu seiner Tochter haben konnte. Die Beziehung zwischen den Eltern verschlechterte sich jedoch, da der Vater der Mutter gegenüber kontrollierend und belehrend auftrat, obwohl er die eigenen Defizite bei der Erziehung nur eingeschränkt einsehen konnte.
Die Kindesmutter schaltete das Familiengericht ein, nachdem der Kindesvater behauptet hat, dass das Kind durch die Mutter misshandelt werde; in diesem Zusammenhang gab es zwei Polizeieinsätze, die sich auf die gemeinsame Tochter belastend auswirkten. Die Mutter beantragte die Aussetzung des Umgangs zwischen Vater und Kind. Der Vater beantragte die Durchsetzung der zuvor vereinbarten Umgangsregelung sowie eine Ausdehnung, wonach er zwei volle Tage in der Woche bei seiner Tochter sein sollte.
Das Gericht räumte dem Vater ein Umgangsrecht im Ausmaß von fünf Stunden pro Woche ein. Die weiteren Anträge der Mutter und des Vaters wurden zurückgewiesen. Den Eltern wurde eine Elternberatung aufgetragen, dem Vater zusätzlich auch Erziehungsberatung. Der Vater legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Aber auch das höhere Gericht hielt die Entscheidung für richtig und konnte bei den Entscheidungen der Vorinstanzen keine Fehler erkennen.
Das OLG zog unter anderem die rechtlichen Argumente der Vorinstanzen heran. Das angespannte Verhältnis zwischen den Eltern habe zu einer Belastung der gemeinsamen Tochter geführt. Allerdings würde eine gänzliche Unterbindung des Umgangsrechts des Vaters aufgrund der guten Beziehung zwischen Vater und Tochter nicht dem Kindeswohl entsprechen. Es betonte nochmals, dass das oberste Prinzip bei einer solchen Entscheidung stets das Wohl des betroffenen Kindes ist, weswegen die Interessen der Elternteile – und auch allfällige Interessenkonflikte zwischen diesen als nachrangig zu behandeln sind.
Das Gericht habe richtig gegen die Ausdehnung des Umgangsrechts entscheiden. Zwar lag diesem Fall ein sehr gutes Vater-Tochter-Verhältnis zugrunde; allerdings bestand eine für die gemeinsame Tochter spürbare Spannung zwischen den Eltern – welche von der Mutter wegen des kontrollierenden und belehrenden Verhaltens des Vaters sogar als „Psychoterror“ eingestuft wurde. Im Übrigen wies der Vater nur wenig Einsicht im Hinblick auf die eigenen Erziehungsfehler auf.
Aus dieser Entscheidung wird ersichtlich, dass das Familiengericht bei einer Umgangsentscheidung nicht nur die Eltern-Kind-Beziehung, sondern auch die potenzielle Auswirkung eines schlechten Verhältnisses der Eltern zueinander auf das gemeinsame Kind zu überprüfen hat.