Tinder-Schwindler: Heiratsschwindel und seine rechtliche Einordnung
Familienrecht: Ehetäuschung
Autorin: Katja Müller, Rechtsanwältin für Familienrecht
Vor Liebes- und Heiratsschwindlern wird schon seit jeher gewarnt und spätestens die Netflix-Dokumentation über den „Tinder-Schwindler“ hat neue Aufmerksamkeit für diese Masche erzeugt. Ein Heiratsschwindler ist jemand, der anderen Personen Liebe und Zugewandtheit vorspielt, um sich daraus einen persönlichen Vorteil zu verschaffen – dem Tinder-Schwindler ging es um die Ersparnisse seiner Opfer.
Doch wie ist solches Verhalten rechtlich zu bewerten? Handeln Heiratsschwindler nur moralisch verwerflich, oder löst ihr Verhalten auch juristische Konsequenzen aus? Kurz gesagt: Ja. Heiratsschwindel hat rechtliche Konsequenzen. Unter Umständen sogar strafrechtliche.
Scheidung ist wohl die häufigste Variante eine Ehe zu beenden. Doch es ist nicht die einzige Möglichkeit, wie das Ende einer Ehe aussehen kann: Wird eine Person durch die andere arglistig getäuscht, so kann auch die Aufhebung der Ehe begehrt werden.
Die Ehescheidung erfolgt aus Gründen, die nach der Eheschließung zum Tragen kommen. Man fühlt sich vom anderen schlecht behandelt, unverstanden oder entliebt sich. Wenn sich das Problem allerdings nicht mit fortschreitender Ehe entwickelt, sondern eigentlich schon davor beziehungsweise zum Zeitpunkt der Eheschließung in einer falschen Vorstellung von der Wirklichkeit besteht, dann kann vielleicht eine Aufhebung der Ehe Thema werden.
Möchte man die Beziehung beenden, weil man über wesentliche Umstände, den anderen Ehegatten betreffend, bei der Eheschließung im Irrglauben war und eben nicht geheiratet hätte, wenn man bei Eheschließung die Wahrheit gekannt hätte, kann dies vielleicht ein Grund für eine Aufhebung der Ehe darstellen. Allerdings muss es sich hier um einen Irrtum handeln, der den Trennungswillen „bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe“ objektiv rechtfertigt.
Irrtümer, die Trennung rechtfertigen
Solche Irrtümer können beispielsweise sein: schwere Krankheiten, zum Beispiel eine HIV- Infektion, eine kriminelle Vergangenheit, insbesondere dann, wenn eine Person mehrfach und schwer vorbestraft ist, charakterliche schwere Mängel oder auch, wenn eine Person eigentlich nur deshalb geheiratet hat, um eine Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitserlaubnis zu erhalten. Keine Aufhebungsgründe stellen nach der Rechtsprechung Irrtümer über das Alter einer Person, die Vermögensverhältnisse oder auch die Jungfräulichkeit dar.
Ebenso kommt eine Aufhebung der Ehe nicht in Frage, wenn der Irrtum zu einem späteren Zeitpunkt aufkommt und der Ehepartner zu verstehen gibt, dass er/sie die Ehe dennoch fortsetzen möchte. Auch „sittliche Überlegungen“ können einer Aufhebung entgegenstehen, beispielsweise, wenn der Irrtum aufgrund der langen Ehedauer nicht mehr relevant scheint oder charakterliche Mängel nicht mehr bestehen oder sich nicht zum Nachteil auf die Ehe ausgewirkt haben.
Arglistige Täuschung
Wird eine Person durch den anderen arglistig getäuscht, so kann ebenso Aufhebung der Ehe begehrt werden. Die Täuschung kann eherechtlich durch Vorspiegeln falscher Tatsachen oder durch Verschweigen geschehen. Auf das Motiv der Täuschung, kommt es (eherechtlich) nicht an.
Aber was sind die Rechtsfolgen einer Aufhebung der Ehe?
Die Aufhebung der Ehe führt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils zur Beendigung der Ehe, und es kommen die Scheidungsfolgen zur Anwendung. Darüber hinaus bestimmt § 1318 Abs. 2 – 5 bei bestimmten Eheaufhebungsgründen weitergehende Rechtsfolgen. Danach können z.B. Unterhaltsregelungen (vgl. §1318 Abs. 2) oder die Regelungen des Versorgungsausgleiches oder des Zugewinnausgleiches (vgl. § 1318 Abs. 3) anwendbar sein.