Familienrecht: Wer darf während Corona entscheiden?
Autorin: Katja Müller, Rechtsanwältin
Die Corona-Pandemie schlägt sich auf alle Bereiche unseres Lebens nieder, sogar auf Fragen rund um das Sorgerecht von getrennt lebenden Eltern. Gerade zu Beginn der Ferienzeit stellt sich besonders die Frage, inwieweit ein Elternteil eigenständig darüber entscheiden darf, wie er die Ferien mit seinem Kind verbringen möchte.
Außerhalb von Corona war der gemeinsame Urlaub in der Regel als sog. Alltagsangelegenheit zu bewerten, über die der jeweilige Elternteil eigenständig entscheiden konnte. In der Pandemie kann bei der Urlaubsplanung jedoch immer häufiger die sog. Erheblichkeitsschwelle erreicht werden, wenn die Reise aufgrund des Reiseziels besondere Gefahren für das Kind mit sich bringt. In diesem Fällen können beide Elternteile nur gemeinsam entscheiden.
Infektionsgeschehen und Reisewarnungen ausschlaggebend
In der Frage um eine Flugreise nach Nicaragua, hat das OLG Frankfurt mit Beschluss vom 13.03.2020 (7 UF 17/20) entschieden, dass hier eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind i.S.d. § 1687 I S.1 BGB vorliege. Ein gewichtiges Argument bei der Beurteilung war die Tatsache gewesen, dass bereits andere Flugreisende erkrankt sind und etwaige Viren durch die Klimaanlage im Flugzeug zirkulieren. Auch die medizinische Versorgung im entsprechenden Reiseland sei bei der Frage zu berücksichtigen, ob sich bei der Reise für das Kind größere Gefahren ergeben, als wenn es in Deutschland bliebe. Insgesamt stelle eine solche Flugreise ins Ausland damit keine Alltagsangelegenheit für ein Kind mehr da, über die ein Elternteil allein entscheiden dürfe.
Jüngst hat das OLG Dresden mit Beschluss vom 25.06.2021 (21 UF 350/21) in ähnlicher Frage jedoch anders entschieden und das (Nicht-)Vorliegen einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes als maßgebliches Kriterium definiert.
Im vorliegenden Fall ging es um eine zweiwöchige USA-Reise des Vaters mit dem sechsjährigen Sohn zum Besuch der dort lebenden hochbetagten Großeltern. In der Sache führte der Senat aus, dass eine Urlaubsreise insbesondere dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung darstelle, wenn für den konkreten Urlaubsort eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliege, oder die Reise eine anschließende Quarantäne erforderlich mache. Das war hier nicht der Fall.
Zum fraglichen Zeitpunkt waren die USA nicht mehr als Risikogebiet eingestuft, Einreisebeschränkungen waren aufgehoben und auch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes lag für die USA nicht mehr vor. Vor dem Hintergrund der bestehenden Testpflicht bei Flugreisen und der Einhaltung entsprechender Hygienemaßnahmen sah das Gericht damit in der Reise keine konkrete Gesundheitsgefahr für das Kind. Hinzu kam, dass nach Angaben des Antragstellers die Großeltern sowie der gesamte Freundes- und Bekanntenkreis vor Ort in den USA bereits vollständig geimpft waren.
In der Frage, ob eine Urlaubsreise als Alltagsangelegenheit, oder als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zu bewerten ist, sind die Kriterien also vielfältig: Reisewarnungen, Quarantänepflicht oder drohende Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr – ist ein Kind von diesen Umständen betroffen, kann das eine erhebliche Belastung für sein seelisches Wohlbefinden darstellen und eine Abstimmung beider Elternteile kann erforderlich werden.