Sorgerecht beim Jugendamt, nicht beim Vater
Familienrecht: Kind lebt in der Pflegefamilie, Vater nicht erziehungsfähig
Wird der allein sorgeberechtigten Kindesmutter das Sorgerecht entzogen, kann eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater nicht nur dann ausscheiden, wenn sie kindeswohlgefährdend wäre, sondern schon dann, wenn ihr weniger gewichtige Nachteile für das Kind entgegenstehen, die im konkreten Fall die Übertragung als dem Wohl des Kindes widersprechend erscheinen lassen (hier: unsicher-vermeidende Bindung des seit mehr als 20 Monaten fremdplatzierten vierjährigen Kindes an den in seiner Erziehungsfähigkeit deutlich eingeschränkten Kindesvater, der aktuell versucht, im Wege eines begleiteten Umgangs eine stabile Beziehung zu dem Kind aufzubauen).
Das 2016 geborene Kind, um das es in dieser Entscheidung geht, wurde unehelich geboren und seine Eltern haben nie zusammengelebt. Die Mutter erhielt ambulante Betreuung. Als trotzdem eine Kindeswohlgefährdung erkannt wurde, entzog des Familiengericht vorläufig der Mutter das Sorgerecht und übertrug es auf das Jugendamt. Seit 18 Monaten lebt das Kind in einer Pflegefamilie. Mitte 2020 wurde der Entzug des Sorgerechts bestätigt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Vater des Kindes einige Woche später durch eine Beschwerde bei Gericht, ohne Erfolg (OLG Bremen 5 UF 66/20 vom 8. Dezember 2020).
Gemäß § 1680 BGB hat das Familiengericht dann, wenn einem Elternteil, dem die elterliche Sorge allein zustand und dann entzogen wurde, dieses Sorgerecht dem bisher nichtsorgeberechtigten anderen Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
Der Vater begründete die Übertragung auf ihn auch damit, dass er seit gut einem Jahr mit einer Lebensgefährtin zusammen lebe, die ein Kind mit in die Partnerschaft gebracht hatte. Er habe in dieser Zeit gelernt, ein besserer Vater zu werden und er und seine Lebensgefährtin könnten sich vorstellen, sein Kind ebenfalls aufzunehmen.
Das Gericht musste seine Entscheidung überprüfen und bezog sich auf die Stellungnahmen des Gutachters, des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes und bestätigte die Übertragung der Vormundschaft auf das Jugendamt, da es den Vater nicht für geeignet hielt, das Sorgerecht im Sinne des Kindes ausüben zu können.
Allein mangelnde Vertrautheit von Vater und Kind schließen zwar eine Sorgeübertragung nicht von vornherein aus, jedenfalls im vorliegenden Fall steht sie im Zusammenspiel mit weiteren Aspekten der vom Kindesvater begehrten Entscheidung entgegen. So stellt es etwa einen weiteren Umstand, der dafürspricht, dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater dem Wohl des Kindes widerspricht, dar, dass der Kindesvater – aus welchen Gründen auch immer – in der Vergangenheit offenkundig seiner Elternverantwortung noch nicht in hinreichendem Maße gerecht geworden ist. Denn der Kindesvater agiere im Umgang mit dem Kind sorglos zum Beispiel am Balkongeländer, auch das Rauchen in der Wohnung habe er trotz Gegenwart des Kindes nicht aufgegeben. Die neue Lebensgefährtin sei kein stabilisierender Faktor, da deren vier Kinder in einer Pflegefamilie untergebracht seien. Das OLG Bremen betont, dass der möglicherweise geäußerte Wunsch des Kindes, beim Vater leben zu wollen, bei einem vierjährigen Kind keine Entscheidung relevante Bedeutung haben kann.
Insgesamt ist es daher für das Kindeswohl förderlich, wenn der vom Jugendamt bestellte Vormund die elterliche Sorge allein ausübt.