Schulverweigerung und Kindeswohlgefährdung
Familienrecht: Kein gerichtliches Einschreiten bei bestmöglicher Förderung des Kindes
Autorin: Christina Begenat, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht
Eine elterliche Weigerung, das Kind in die Schule zu schicken, begründet nicht zwingend eine Kindeswohlgefährdung. Wird das Kind bestmöglich gefördert und die Schulpflicht eingehalten, ist kein Grund für gerichtliches Eingreifen nach § 1666 BGB erforderlich – so das Oberlandesgericht Bamberg.
In dem vor dem OLG Bamberg verhandelten Fall ging es um zwei in Bayern lebende Eltern, die sich seit dem Jahr 2017 weigerten, ihr zu diesem Zeitpunkt 8 Jahre altes schulpflichtiges Kind in die Schule zu schicken. Das Jugendamt schaltete sich ein und machte beim Familiengericht eine Kindeswohlgefährdung geltend. In erster Instanz wertete das Gericht die Schulverweigerung ebenfalls als Kindeswohlgefährdung und machte den Eltern daher die Auflage, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Kind wieder die Schule besuche.
In ihrer Beschwerde hiergegen führten die Kindeseltern aus, dass das Kind Heimunterricht in allen Grundlagenfächern genieße, über einen gefestigten Freundeskreis verfüge und im Sportverein sowie der Jugendfeuerwehr aktiv sei. Von einer Kindeswohlgefährdung sei daher nicht auszugehen.
Schulverweigerung begründet nicht automatisch Kindeswohlgefährdung
Das OLG Bamberg entschied zu Gunsten der Eltern. Die Weigerung der Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken könne zwar einen Missbrauch der elterlichen Sorge darstellen, der das Wohl des Kindes nachhaltig gefährde und gerichtliche Maßnahmen nach § 1666 rechtfertige, jedoch begründe eine Schulverweigerung nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung – entscheidend ist der Einzelfall. So müsse durch die Schulverweigerung eine gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende, erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes vorliegen. Eine solche sah das Gericht, insbesondere nach der Anhörung des Kindes, nicht.
Persönlichkeitsentwicklung nicht gefährdet
Nach Auffassung des OLG Bamberg sei das Kind weder sozial isoliert noch verhaltensauffällig. Vielmehr sei die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes durch den Heimunterricht und seine sozialen Kontakte in einem Umfang sichergestellt, die ein gerichtliches Einschreiten nach § 1666 BGB nicht zulasse. Auch sei es nicht Aufgabe der Familiengerichte für die Einhaltung der Schulpflicht Sorge zu tragen. Vielmehr seien hierfür die Schulbehörden zuständig.