Teilweiser Sorgerechtsentzug nach schulischer Überforderung
Familienrecht: Kindeswohlgefährdung bei schulischer Überforderung des Kindes
Autorin: Christina Begenat, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht
Eine Mutter aus Rheinland-Pfalz trägt jetzt die Konsequenzen für den Leistungsdruck, den sie ihrer Tochter ausgesetzt hat – In letzter Instanz hat das Bundesverfassungsgericht dem Teilentzug ihres Sorgerechts zugestimmt.
Nach Auffassung der Gerichte hatte die Mutter ihre lernförderbedürftige Tochter schulisch überfordert. Nachdem vorinstanzlich entschieden wurde, dass die Mutter die schulischen Belange der nun 16-jährigen Tochter nicht mehr regeln darf, hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde abgelehnt.
Das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) habe den Entzug von Teilen des Sorgerechts angemessen bewertet. Eine Verletzung des Elternrechts sei nicht erkennbar, hieß es in einem am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 14. September 2021, Az. 1BvR 1525/20 ).
Nach Angaben des Gerichts wurde bei dem Mädchen in der Grundschule sonderpädagogischer Förderbedarf beim Lernen festgestellt. Gegen den Rat der Fachkräfte habe die Mutter es auf einem Gymnasium angemeldet. Dort habe es nach kurzer Zeit erhebliche Konflikte gegeben. Wegen Übergriffe auf Mitschüler sei das Mädchen von der Schule ausgeschlossen worden. Auch auf einer Realschule Plus gab es demnach erhebliche Konflikte mit Lehrern und Mitschülern.
OLG lehnte Beschwerde gegen Teilsorgerechtsentzug ab
Weil das Familiengericht das körperliche und seelische Wohl der Tochter aufgrund eines Versagens der Mutter nachhaltig gefährdet sah, wurde der Mutter unter anderem das Recht zur Regelung schulischer Belange ihrer Tochter entzogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das OLG zurück. Die Mutter übe trotz stetiger gegenteiliger Ratschläge aller Fachkräfte einen derart enormen Leistungsdruck auf ihre Tochter aus, dass diese permanent überfordert, traurig, verzweifelt und ohne jegliche Lebenslust sei; sie habe bereits Suizidgedanken geäußert. Mitunter komme es auch zu körperlichen Übergriffen der Mutter auf ihre Tochter. Bei schlechten Noten äußere die Tochter in der Schule Ängste vor ihrer Mutter, etwa vor Schimpfen oder auch Schlägen.
Bundesverfassungsgericht bestätigt den Teilentzug der elterlichen Sorge
Das OLG stellte eine Kindeswohlgefährdung durch Überforderung in der Regelschule fest. Diese werde verstärkt, weil die Mutter Hilfen ablehne, insbesondere einen zieldifferenten Unterricht. Die Mutter setzt ihre Tochter durch überhöhte Erwartungen von Leistungen, die diese nicht erbringen kann, unter permanenten Leistungsdruck, der eine dauernde Belastung des Kindes bewirkt. Sie erwartet die Erbringung schulischer Leistungen, zu denen die Tochter auch mit Unterstützung nicht in der Lage ist. Angesichts der schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Kindeswohls habe das OLG den Fall angemessen bewertet.