Keine elterliche Sorge bei lebenslanger Haft
Ruhen der elterlichen Sorge reicht nicht – Kinder traumatisiert
Eltern haben gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt ein Abwehrrecht, wenn der Eingriff nicht durch das staatliche Wächteramt gedeckt ist. Diese grundrechtsgeschützte Position beinhaltet bei staatlichen Eingriffen hohe Anforderungen an den Sorgerechtsentzug, insbesondere an die Begründung der Gefahrenlage, insbesondere bei Fremdunterbringung von Kindern. Mit einem entsprechenden Fall hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg in einer aktuellen Entscheidung vom 3. August 2020 (Aktenzeichen 13 UF 64/19) zu befassen.
Lebenslange Freiheitsstrafe für den Kindesvater
Der Vater wendet sich gegen die Entziehung der elterlichen Sorge für seine in 2005 und 2006 geborenen Söhne und seine 2015 geborene Tochter. Er hat die Mutter seiner Kinder unter einem Vorwand von Brandenburg nach München gelockt und dort getötet. Das Landgericht München hat ihn des Mordes schuldig gesprochen und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Das Amtsgericht als erster Instanz hatte dem Vater die elterliche Sorge für die Kinder entzogen und Vormundschaft angeordnet. Das Kindeswohl sei durch eine fortwirkende Traumatisierung der Kinder gefährdet, wobei die bloße Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge nicht ausreiche. Mit seiner Beschwerde an das OLG erstrebt der Vater das Ruhen seiner elterlichen Sorge.
Ruhen der elterlichen Sorge reicht nicht aus
Die Familienrichter der zweiten Instanz beschließen: Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor in Gestalt einer greifbar drohenden Störung einer noch andauernden notwendigen Traumaverarbeitung. Die Kinder sind mehrfach traumatisiert durch den Verlust der Mutter, die Tat ihres Vaters und dessen Verantwortlichkeit für den Verlust ihrer Mutter als deren Mörder. Sie befinden sich in Therapie. Ihr Wunsch nach größtmöglichem Abstand zum Täter ist unmittelbar einleuchtend und entspricht einer natürlichen Traumaverarbeitung bei Ermordung nächster Verwandter, hier erst recht bei der eigenen Mutter als ihrer Hauptbezugsperson.
Die Feststellung des Ruhens kommt hier als milderes Mittel nicht in Betracht. Dieser Umstand macht hier im Erleben der Beteiligten einen ganz erheblichen Unterschied, bei den Kindern, die ihre Unterworfenheit unter ein fortbestehendes Sorgerecht ihres Vaters zur Gänze und damit beseitigt wissen wollen, nicht anders als beim Vater, der sein Sorgerecht geringstmöglich eingeschränkt wissen will, nämlich nur in der Ausübung. Bei dieser Sachlage besteht die handfeste Gefahr für die Kinder, ihre Traumaverarbeitung durch Missachtung ihres Bedürfnisses und ihres Willens nach größtmöglichem Abstand zu ihrem Vater als Mörder ihrer Mutter zu beeinträchtigen. Deswegen sei das Sorgerecht dem Vater zu entziehen und dem Jugendamt zu übertagen.